Publication type: Conference paper
Type of review: Peer review (abstract)
Title: Selbstregulation im Umgang mit Sponsored Content : ein Vergleich der Normen und Praxis europäischer Presseräte
Authors: Keel, Guido
et. al: No
Conference details: Mediensymposium 2023 - Medienstrukturen revisited. Recht - Markt - Akteure - Gesellschaft, Zürich, Schweiz, 12.-13. Oktober 2023
Issue Date: 13-Oct-2023
Language: German
Subjects: Journalismus; Medienethik; Selbstregulierung
Subject (DDC): 070: News media, journalism and publishing
Abstract: Werbung war und ist eine bedeutende Finanzierungsquelle der Medien (Erik Gustafsson, 2006; Lauerer, 2019). Die Digitalisierung hat die Voraussetzungen dafür aber fundamental verändert und zu einer Machtverschiebung von journalistischen Medien zur Werbewirtschaft geführt: Neue technische Möglichkeiten ermöglichen eine gezieltere Distribution, ohne dafür auf die Reichweite von journalistischen Medien angewiesen zu sein (Siegert, 2013, 2020). Journalistische Medien reagieren auf diese Veränderung u.a. mit der Entwicklung neuer Werbeformate, die sich u.a. besser in den redaktionellen Kontext integrieren lassen, redaktionelle Inhalte imitieren oder diese gar ersetzen (Siegert, 2020). Die Vermischung von Werbung und journalistischen Inhalten ist zwar kein neues Phänomen (Casale, 2016; Hümpfner & Appel, 2020), hat aber im Kontext von Online-Medien eine neue Bedeutung erhalten. Sponsored Content: Für Sponsored Content existiert keine einheitliche Definition, weder im wissenschaftlichen Diskurs noch in der Praxis der Medienhäuser (Ferrer Conill, 2016; Keel et al., 2021). Conill-Ferrer definiert Sponsored Content als «eine Form des Marketings für bezahlte Inhalte, bei der die kommerziellen Inhalte in Form und Funktion von redaktionellen Inhalten geliefert werden, wobei versucht wird, das Nutzererlebnis des Lesens von Nachrichten anstelle von Werbeinhalten nachzubilden» (2016). Mit dieser bewussten Vermischung würden zwei Ziele verfolgt, und zwar «die Steigerung des Anzeigenkonsums durch die Leser und (…) die Verknüpfung der Marke des Werbetreibenden mit den Qualitäten und der Autorität des Herausgebers, indem das Format des letzteren übernommen wird» (ebd.). Die trügerische Absicht von Sponsored Content wird sowohl Journalist:innen als auch Werbenden als problematisch erkannt (Schauster et al., 2016). Dementsprechend werden in den Berufsfeldern Bemühungen unternommen, um im Sinn der Selbstregulierung Ansätze und Richtlinien für einen geeigneten Umgang zu finden. Auf der Seite des Marketings sind es Instanzen wie nationale Ethikräte oder der europäische Verband für digitales Marketing (IAB), die erklären, was beim Einsatz von Sponsored Content aus rechtlicher und ethischer Sicht zu beachten ist, im Hinblick auf Inhalte und Gestaltung (Hümpfner & Appel, 2020; IAB Europe, 2016; Wojdynski et al., 2017; Wojdynski & Evans, 2016). Fragestellung: In diesem Beitrag soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern auf Seiten des Journalismus Massnahmen der Selbstregulierung den Umgang mit Sponsored Content regeln. Dabei sollen drei Forschungsfragen beantwortet werden: (I) Wie wird Sponsored Content von Presseräten in europäischen Ländern behandelt und beurteilt? (II) Welchen Normen enthalten die Regelwerke und Kodizes zum Umgang mit Sponsored Content? (III) Inwiefern hängt der Umgang von Presseräten mit Sponsored Content mit der Journalismuskultur eines Landes zusammen? Presseräte sind immer wieder Gegenstand von Forschungen und insbesondere von Vergleichen (Fengler, 2016; Harder & Knapen, 2020; Puppis, 2009). Trotzdem sind Untersuchungen der Gremien, derer Ressourcen und Sichtweisen eher selten: Meist steht bei Forschung zur journalistischen Selbstregulierung die Wirkung und nicht die eigentlichen Akteure im Vordergrund. Zudem ist der Umgang von Presseräte mit Fällen von Sponsored Content bisher nicht systematisch und ländervergleichend untersucht worden. Vorgehen: In dieser Untersuchung wurden einerseits die Kodizes von europäischen Presseräten im Hinblick auf ihre Thematisierung von Sponsored Content sowie ihre Stellungnahmen zu Beschwerden gegen Sponsored Content mittels qualitativer Inhaltsanalyse analysiert. Andererseits wurden allen 31 ordentlichen Mitgliedern der Alliance of Independent Press Councils of Europe AIPCE mit einem schriftlichen Fragebogen befragt, wobei z.T. pro Land mehrere Presseräte existieren. 13 Presseräte antworteten, wovon wiederum 10 den Fragebogen ausfüllten. Die Erklärungen von drei weiteren Presseräten, weshalb sie die Fragen nicht beantworten, liefern zudem Erkenntnisse zu deren Umgang mit Sponsored Content und fliessen deshalb ebenfalls in die Analyse mit ein. Erkenntnisse: (I) Das Bewusstsein über die medienethischen Problematiken im Zusammenhang mit Sponsored Content ist nicht bei allen untersuchten Presseräten im gleichen Mass vorhanden. Insgesamt trafen nur zehn Mitglieder des AIPCE seit dem Jahr 2009 mindestens eine Entscheidung zum Thema Sponsored Content, wobei der deutsche Presserat über die Hälfte aller Entscheidungen veröffentlichte. Die Beanstandungen der Presseräte im Zusammenhang mit Sponsored Content bezogen sich in den meisten Fällen auf eine mangelnde Deklaration. Bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit, die durch Sponsored Content in Gefahr sein könnte, waren sich die Pressräte in den Interviews einig: Sponsored Content, zumindest wenn er sich nicht klar von redaktionellen Inhalten abgrenzen lässt, schadet der Glaubwürdigkeit des Mediums und somit dem Journalismus insgesamt. Mehrere Presseräte gaben an, dass sie die Gefahr von Sponsored Content für die Glaubwürdigkeit von Medien grösser einschätzten als die Gefahr durch Fake News. Allerdings stellen sich die Befragten die Frage, inwiefern die Redaktionen und die Presseräte überhaupt für Sponsored Content zuständig sind. Während einige Organisationen die Verantwortung von sich wiesen und zum Beispiel Ethikwerberäte in der Pflicht sahen, entschieden sich andere explizit dafür, dass Sponsored Content in ihren Zuständigkeitsbereich fällt, ohne aber über den Inhalt zu beurteilen. Wiederum andere Presseräte entschieden sich, auch über den Inhalt des Sponsored Contents zu urteilen. (II) Die Inhaltsanalyse der 29 Kodizes zu Sponsored Content zeigt, dass in Europa ein vielfältiger Umgang mit Sponsored Content herrscht. Nur 11 der 29 Kodizes erwähnen Sponsored Content – in sehr unterschiedlichem Ausmass – explizit, z.T. mit Umschreibungen wie «Material, das von einem Sponsor finanziert wird» (Georgien). Weitere 10 gehen im Zusammenhang mit Werbung auf die Problematik von Einflussnahme durch Bezahlung ein. Im Zusammenhang mit Sponsored Content oder Werbung wird betont, dass die klare Abgrenzung zentral sei. Die Hälfte der Kodizes mit Ausführungen zu solchen Inhalten führt aus, wie diese Abgrenzung zu geschehen habe: Mit einer Kennzeichnung und/oder durch layouterische Massnahmen. Allerdings besteht keine Einigkeit, wie diese Kennzeichnung auszusehen hat. Während sich gewisse Presseräte gegen den Begriff «Sponsored» aussprechen, fordern andere genau diesen Begriff. Die Verantwortung für die Einhaltung dieser Norm wird in den meisten Fällen den Journalist:innen bzw. Redaktionen zugeordnet. Nur der deutsche Presserat sieht zusätzlich den Verlag in der Verantwortung. Bis auf den Schweizer Presserat gaben alle an, dass ihr Kodex in den letzten fünf Jahren nicht angepasst wurde. In einigen Ländern fand eine Anpassung des Kodex bezüglich Sponsored Content bereits vor über fünf Jahren statt, in zwei Ländern waren zudem Änderungen geplant. Auch die Bewertung von Sponsored Content durch die Presseräte hat sich über die letzten fünf Jahre kaum verändert. Interpretation: Wenn man die Journalismus-Kodizes und die Praxis von europäischen Presseräten zu Sponsored Content untersucht, lassen sich drei Kategorien von Ländern unterscheiden: Länder ohne Vorgaben zu Sponsored Content im Kodex, Länder mit Vorgaben, aber ohne Urteilen/Stellungnahmen zu konkreten Fällen, und Länder mit Urteilen/Stellungnahmen aufgrund von Normen des Pressekodex. Mit Bezug auf Unterfrage III lässt sich aber keine Korrelation mit dem Mediensystem feststellen. So finden sich in der ersten Gruppe Länder wie Schweden, UK (IPSO), Spanien (Andalusien) und Russland, in der zweiten Gruppe Dänemark, UK (Impress), Spanien (Katalonien) und Ungarn, und in der dritten Gruppe Norwegen, Frankreich, Serbien und Bulgarien. Zum Schluss stellt sich die Frage, weshalb die europäischen Presseräte trotz vorhandenem Problembewusstsein in Bezug auf Sponsored Content nur relativ wenig Fälle zu dieser Problematik behandeln. Dies lässt sich möglicherweise damit begründen, dass das Publikum das Problem nicht erkennt. Studien zeigen immer wieder, dass ein Drittel und mehr diese Art von Werbung nicht als solche identifiziert (Keel et al., 2021) und deshalb auch kein Problembewusstsein dafür entwickelt hat, während andere Themen wie Fake News und Desinformation viel mehr öffentliche Aufmerksamkeit erhalten. Das Thema Sponsoring von scheinbar unabhängigen Inhalten wird aber angesichts der steigenden Bedeutung von Influencern in Zukunft sicher weiter an Bedeutung gewinnen.
Further description: Präsentation im Rahmen des Roundtable 3 - Akteure.
URI: https://digitalcollection.zhaw.ch/handle/11475/29131
Fulltext version: Published version
License (according to publishing contract): Licence according to publishing contract
Departement: Applied Linguistics
Organisational Unit: Institute of Applied Media Studies (IAM)
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Keel, G. (2023, October 13). Selbstregulation im Umgang mit Sponsored Content : ein Vergleich der Normen und Praxis europäischer Presseräte. Mediensymposium 2023 - Medienstrukturen revisited. Recht - Markt - Akteure - Gesellschaft, Zürich, Schweiz, 12.-13. Oktober 2023.
Keel, G. (2023) ‘Selbstregulation im Umgang mit Sponsored Content : ein Vergleich der Normen und Praxis europäischer Presseräte’, in Mediensymposium 2023 - Medienstrukturen revisited. Recht - Markt - Akteure - Gesellschaft, Zürich, Schweiz, 12.-13. Oktober 2023.
G. Keel, “Selbstregulation im Umgang mit Sponsored Content : ein Vergleich der Normen und Praxis europäischer Presseräte,” in Mediensymposium 2023 - Medienstrukturen revisited. Recht - Markt - Akteure - Gesellschaft, Zürich, Schweiz, 12.-13. Oktober 2023, Oct. 2023.
KEEL, Guido, 2023. Selbstregulation im Umgang mit Sponsored Content : ein Vergleich der Normen und Praxis europäischer Presseräte. In: Mediensymposium 2023 - Medienstrukturen revisited. Recht - Markt - Akteure - Gesellschaft, Zürich, Schweiz, 12.-13. Oktober 2023. Conference paper. 13 Oktober 2023
Keel, Guido. 2023. “Selbstregulation im Umgang mit Sponsored Content : ein Vergleich der Normen und Praxis europäischer Presseräte.” Conference paper. In Mediensymposium 2023 - Medienstrukturen revisited. Recht - Markt - Akteure - Gesellschaft, Zürich, Schweiz, 12.-13. Oktober 2023.
Keel, Guido. “Selbstregulation im Umgang mit Sponsored Content : ein Vergleich der Normen und Praxis europäischer Presseräte.” Mediensymposium 2023 - Medienstrukturen revisited. Recht - Markt - Akteure - Gesellschaft, Zürich, Schweiz, 12.-13. Oktober 2023, 2023.


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